Unterwerfung by Houellebecq Michel
Autor:Houellebecq, Michel [Houellebecq, Michel]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Dumont
Die Saison hatte ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, und ich fand leicht ein Zimmer im Hotel Beau Site, das schön im mittelalterlichen Ortskern gelegen war; das Restaurant mit Panoramablick thronte über dem Alzou-Tal. Der Ort war tatsächlich beeindruckend und sehr stark besucht. Der Strom der Touristen aus aller Herren Länder, die sich alle ein wenig voneinander unterschieden und sich zugleich alle ähnelten, wollte nicht abreißen. Ausgerüstet mit ihren Videokameras, zogen sie verblüfft durch das Gewirr aus Türmen, Wehrgängen, Bethäusern und Kapellen, die sich an den steilen Felsen schmiegten. Das gab mir nach einigen Tagen das Gefühl einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit, sodass ich am Sonntagabend des zweiten Wahlgangs den deutlichen Wahlsieg von Mohammed Ben Abbes nur am Rande zur Kenntnis nahm. Langsam verfiel ich in einen Zustand verträumter Untätigkeit, und obwohl die Internetverbindung im Hotel diesmal perfekt funktionierte, beunruhigte mich Myriams anhaltendes Schweigen schließlich kaum noch. Der Hotelier und das Personal hatten mich mittlerweile eingeordnet: ein Single, ein mäßig gebildeter, etwas trauriger Single ohne besondere Freizeitbeschäftigungen – und im Grunde genommen traf das zu. Für sie gehörte ich jedenfalls zu jener Sorte Gäste, mit der man keine Probleme hat, und darauf kam es an.
Ich war seit vielleicht einer oder zwei Wochen in Rocamadour, als ich schließlich ihre E-Mail erhielt. Sie berichtete viel von Israel, von der sehr besonderen Atmosphäre, die dort herrschte, außerordentlich dynamisch und fröhlich, doch immer unterschwellig tragisch. Es möge merkwürdig erscheinen, schrieb sie mir, das eine Land – Frankreich – zu verlassen, weil man fürchte, dort möglicherweise in Gefahr zu sein, um in ein anderes Land auszuwandern, in dem die Gefahr real und greifbar sei – ein abtrünniger Zweig der Hamas hatte kürzlich beschlossen, eine neue Attentatsserie zu starten, und jeden Tag, oder fast jeden, jagten sich mit Sprengstoff umwickelte Selbstmordattentäter in Restaurants und Bussen in die Luft. Es sei zwar merkwürdig, aber sei man einmal vor Ort, könne man es verstehen: Seit seiner Gründung befinde sich Israel im Krieg, Attentate und Kämpfe schienen hier irgendwie unvermeidlich, naturgegeben. Jedenfalls hindere einen das nicht daran, das Leben zu genießen. An ihre E-Mail hatte sie zwei Fotos von sich im Bikini am Strand von Tel Aviv angehängt. Auf einem der Fotos, das sie von schräg hinten zeigte, während sie aufs Wasser zulief, konnte man sehr gut ihren Hintern erahnen, und ich bekam einen Steifen, hatte den unwiderstehlichen Drang, sie zu streicheln, wobei ein schmerzhaftes Kribbeln meine Hände durchlief; es war unglaublich, wie genau ich mich an ihren Hintern erinnerte.
Während ich meinen Computer zuklappte, wurde mir bewusst, dass sie nicht mit einem Wort eine mögliche Rückkehr nach Frankreich erwähnt hatte.
Vom ersten Tag meines Aufenthalts an hatte ich mir angewöhnt, jeden Tag in die Notre-Dame-Kapelle zu gehen und einige Minuten lang zu Füßen der schwarzen Muttergottes zu sitzen, die seit rund tausend Jahren Anlass für zahllose Wallfahrten war, vor der so viele Heilige und Könige niedergekniet hatten. Es war eine eigenartige Statue, die ein vollständig verschwundenes Universum bezeugte. Die Jungfrau saß ganz aufrecht; ihr Gesicht mit den geschlossenen Augen schien so sehr entrückt, dass es geradezu außerirdisch wirkte, den Kopf schmückte ein Diadem.
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